Paralympics, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften: Max Kindervater hat in seiner Schiedsrichter-Karriere nicht nur in der Basketball-Bundesliga der Fußgänger gepfiffen, sondern auch im Rollstuhlbasketball alles erreicht. Nach der EM in Madrid beendete er seine internationale Laufbahn. Über den richtigen Zeitpunkt fürs Aufhören, seinen Spitznamen „Maps“ und ein kurioses letztes Spiel.

Still und heimlich hat Max Kindervater am Ende seine 20 Jahre andauernde internationale Laufbahn als Schiedsrichter im Rollstuhlbasketball beendet – mit dem wohl einzigen Spiel in seiner Karriere, in dem er „keinen einzigen Pfiff“ machen musste. Wie es dazu kam? Der 54-Jährige war für das EM-Finale der Herren eingeteilt worden, doch aufgrund des Corona-Chaos in Madrid entschied sich die britische Nationalmannschaft, nicht gegen die Niederlande antreten zu wollen. „Beim Finalspiel sind wir Schiedsrichter und die Holländer umgezogen auf dem Spielfeld gewesen, das Spiel gilt prinzipiell als stattgefunden, allerdings hat der Gegner gefehlt“, erklärt Kindervater, dessen letztes gepfiffenes Spiel am 10. Dezember 2021 das Überkreuz-Spiel der Plätze 5 bis 8 zwischen Frankreich und Gastgeber Spanien war. Beim Endspiel ohne Spiel freute ihn dann ein besonderes Geschenk der Europameister: „Ich habe von den Holländern zum Abschied noch einen Wimpel mit der Unterschrift aller Spieler bekommen, was eine wirklich schöne Geste war. Und das wars dann mit der internationalen Schiri-Karriere.“

Kindervater, der in Erlangen geboren ist, leitete bis 2017 22 Jahre lang Spiele in der Basketball-Bundesliga der „Fußgänger“, wie es im Rollstuhlbasketball-Jargon heißt. Seit 1995 pfiff Kindervater parallel auch schon Rollstuhlbasketballspiele – ursprünglich aus medizinischem Interesse. „Als Arzt wollte ich sehen, was die Spieler zu leisten vermögen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe damals im Fußgängerbereich auch schon sehr hochklassig gepfiffen, dann ging es auch im Rollstuhlbasketball sehr schnell nach oben“, blickt Kindervater, der auch die weibliche U20 der Fußgängerinnen als Arzt begleitete, zurück: 1998 stieg er in die 2. Bundesliga und nur ein Jahr später auch in die RBBL auf. 2001 durfte er in Neapel erstmals international pfeifen und kam seither auf eine beachtliche Anzahl an Turnieren: Die vier Paralympics-Teilnahmen in Athen 2004, Peking 2008, London 2012 und Rio 2016 waren die Highlights. Zwei Herren-, eine Damen- sowie eine Junioren-Weltmeisterschaft durfte Kindervater zudem pfeifen. Dazu kommen die Parapan- und Para-Asienspiele sowie acht A-Europameisterschaften, eine B- und eine C-EM plus eine Damen-EM. Madrid sollte sein letzter internationaler Einsatz werden, „weil jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Ich habe relativ viel erreichen dürfen und auch gesehen. Ich hatte immer den Anspruch an mich selbst, dass ich auf einem guten Niveau aufhöre und nicht erst, wenn einer sagt: Jetzt wirds Zeit.“

Gerade zu Beginn sei es für den Fußgänger-Schiedsrichter anders gewesen, Rollstuhlbasketball zu pfeifen, doch das habe sich bald gelegt. „Der Unterschied ist einfach, dass man ein zusätzliches Sportgerät hat, dass wir den Stuhl dazu haben, heißt die Spieler müssen den Ball beherrschen und den Stuhl auch noch, das macht es so faszinierend und so spannend“, sagt Kindervater, der von seinen Schiedsrichter-Kolleginnen und -Kollegen einen besonderen Spitznamen bekommen hat. Ein gutes Miteinander war Kindervater auch abseits der Halle wichtig, weshalb „Maps“, wie sie ihn nannten, regelmäßig Aktivitäten und Stadtführungen organisierte, die er dann mit seinen Mit-Referees genoss. Aber nicht nur mit seinen Kollegen, auch mit Spielerinnen und Spielern verstand sich Kindervater gut. „Der Umgang im Rollstuhlsport ist anders als im Profi-Basketball, das hat mir sehr gut gefallen. Es ist menschlicher, es gibt immer die Gelegenheit nach dem Spiel, dass man sich mit den Sportlern austauschen kann“, sagt Kindervater über seine Motivation: „Die Energie, die teilweise schwer verletzte Menschen nach einem schlimmen Unfall beispielsweise auf dem Spielfeld gezeigt haben, das hat mich sehr fasziniert und hat mir auch selber immer wieder neue Energie gegeben.“

National wird Kindervater in der RBBL noch weiterpfeifen: „Ich habe noch nicht entschieden wie lange, aber ein, zwei, drei Jährchen schon noch.“ Denn so ganz ohne Rollstuhlbasketball kann er dann doch nicht: „Ich werde es auf jeden Fall vermissen und mir auch weiter internationale Spiele anschauen. Ich habe ja die Gelegenheit, meine Erfahrung als Schiedsrichterausbilder weitergeben zu dürfen und bleibe dem Sport dadurch auch verbunden.“

Foto: Steffie Wunderl