Die deutsche Rollstuhlbasketballnationalmannschaft der Herren hat sich durch den Sieg gegen den Iran für die Paralympics in Paris 2024 qualifiziert. Während des gesamten Turniers zeigte Deutschland eine herausragende Defensivleistung und dominierte insbesondere im Bereich unter den Körben. Welche weiteren Erkenntnisse lieferte das Repechage-Turnier in Antibes noch?

Die Feier am Montagabend an einer Beach-Bar in Antibes an der Côte dAzur bot die ideale Gelegenheit, um die erfolgreiche Qualifikation für die Paralympischen Spiele auf besondere Weise zu feiern. Ein paar Stunden nach dem entscheidenden Sieg gegen den Iran sprangen ein paar der Nationalspieler in Meer, um sich eine wohlverdiente Abkühlung zu gönnen – nach zahlreichen schweißtreibenden Trainingseinheiten und Spielen in hitzigen Hallen.

Anders als bei den Feierlichkeiten direkt nach Spielende war Bundestrainer Michael Engel in der Beach-Bar nicht dabei. Nach der anstrengenden Arbeit in den vergangenen drei Wochen musste er und der ganze Trainerstab erst einmal durchatmen. „Jeder Spieler und jeder Betreuer hat volles Engagement rein gebracht. Der mannschaftliche Erfolg stand über allem“, betonte Engel. Es war eine Mentalitätsleistung. Wir sind gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen“, schwärmte er.

Die Schlüsselfaktoren gegen den Iran

Umso beeindruckender war die Tatsache, dass die Nationalmannschaft im Entscheidungsspiel ihren einstigen „Angstgegner“ Iran bezwang – mit 70:39 sogar deutlich. In drei entscheidenden Spielen (bei den Paralympics 2016 in Rio, bei der Heim-WM 2018 und bei der WM 2023) hatte die Mannschaft gegen den Iran verloren, mitunter knapp (vergangenes Jahr mit zwei Zählern).

Deutschland bewies dieses Mal Ruhe, Souveränität und dachte gar nicht daran, die im zweiten Viertel erarbeitete zweistellige Führung noch zu verspielen – wie am Vortag gegen Italien. In diesem Zusammenhang lobte Engel die „Lernfähigkeit“ seines Teams und ergänzt, dass seine Spieler den „Prinzipien treu geblieben“ sind. Ihm war es wichtig, dass die Mannschaft „im Moment bleibe“, um sich von gegnerischen Läufen nicht verunsichern zu lassen.

„Nach drei Gruppenspielen des Repechage-Turniers war der Iran die beste Mannschaft, was das Erzielen von Punkten in der Zone angeht“, ließ Engel wissen. Das deutsche Vorhaben war es also, großen Wert auf die Offensive und Defensive in der Zone zu legen. Das gelang mit Erfolg: „Wir haben nur zehn Punkte in der Zone zugelassen und selbst 30 Punkte in der Zone erzielt“, lobte der 40-Jährige die exzellente Umsetzung durch seine Spieler.

Der Druck und die Anspannung im Alles-oder-nichts-Spiel schien vor allem einen Spieler eher zu beflügeln: Thomas Böhme. Der 32-jährige Routinier zeigte gegen den Iran mit 29 Punkten, 10 Rebounds, 8 Assists und 3 Steals eine herausragende Leistung. „Eines der besten Spiele von ihm im Nationaltrikot“, fand Engel.

Nach Rückschlag gegen Italien blieb wenig Zeit

Nach der 63:72-Niederlage gegen Italien am Sonntagabend weniger als 24 Stunden vorher bestand die größte Herausforderung für Engel darin, die hängenden Köpfe seiner Spieler wieder aufzurichten. Gegen Italien hatte die Auswahl mit über zehn Punkten in Führung gelegen und die ersten 25 Minuten im Griff gehabt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Engel sogar das „beste Spiel“ seiner Mannschaft gesehen, seitdem er Bundestrainer ist. „Ich bin aus dem Spiel gegangen und war nicht komplett unzufrieden. Man muss das Shotmaking der Italiener respektieren“, sagte er.

Sein Team schaffte es über weite Strecken, die Italiener am Zug zum Korb zu hindern. Aber die Italiener strahlten nicht nur unter dem Korb Gefahr aus. Giulio Maria Papi, den Engel „einen der besten Werfer der Welt“ nannte, fing vor allem in der zweiten Halbzeit Feuer. Papi erzielte 34 Punkte, darunter vier Dreipunktewürfe, und war damit für fast die Hälfte der italienischen Punktausbeute verantwortlich. „Wir haben das Spiel kontrolliert. Aber Basketball ist nicht Fußball, wo man sich den Ball in den eigenen Reihen hin und her schiebt, wenn man 5:0 führt“, konkretisierte Engel.

Am Montagabend war die Gefühlslage der beiden Mannschaften dann erneut komplett konträr: Die Italiener waren ernüchtert nach der Niederlage gegen Kanada und ihrem Ausscheiden, während die Deutschen vor Freude strahlten, nachdem sie sich den Traum von Paris erfüllt hatten. „Im abschließenden Spiel kam es viel auf den Kopf an“, berichtete Engel. So ein Spiel habe immer eine besondere Dynamik. „Die Iraner waren durch Verletzungen gehandicapt, aber das soll unsere Leistung nicht schmälern“, ergänzte er.

Welche Lehren lieferte das gesamte Qualifikationsturnier?

Während des gesamten Turniers war die Verteidigung „unser Anker“, stellte Engel fest.

Ob im tückischen Auftaktspiel gegen die quirligen und variablen Kolumbianer (70:56), bei der Pflichtaufgabe gegen Außenseiter Marokko (77:42) oder beim reifen Auftritt gegen den Iran. Selbst bei der Niederlage gegen Italien war die Verteidigung der Zone nicht das Problem. Übrigens gewann Deutschland in jedem Spiel das Rebound-Duell.

Außerdem berief sich Engel auch auf die Rollenverteilung, die beim Weltmeistertitel der Fußgängerbasketballer im September 2023 ein entscheidender Faktor gewesen war. Mit Ausnahme des Marokko-Spiels setzte Engel auf eine Rotation bestehend aus neun Spielern. „Auch wenn wir mit einer kleinen Rotation gespielt haben, hat jeder seinen Beitrag geleistet. Die Bankspieler haben die anderen gepusht“, schilderte der Bundestrainer.

Engel hob nicht nur Leistungsträger wie Böhme, Nico Dreimüller, Matthias Güntner, Alex Budde und Alex Halouski hervor, sondern vergaß auch Akteure wie Lukas Gloßner und Tobias Hell nicht, die als 1-Punkte-Spieler wichtige Rollen innehatten. „Sie haben gekämpft und gefightet“, lobte der Bundestrainer. „Der Gegner versucht immer, den schwächsten Gegenspieler zu attackieren. Die beiden sind clevere Einser, was das Punkteverhindern und die Punktebeteiligung angeht. Sie haben das Vertrauen komplett gerechtfertigt“, erklärte Engel. In Zukunft erhoffe er sich allerdings, dass man die beiden auch im Angriffsspiel häufiger finden werde.

Insgesamt war das konstante Scoring jedoch eine große Stärke der deutschen Mannschaft: Von den acht teilnehmenden Teams hatte Deutschland (70 Punkte pro Spiel) hinter Italien den besten Angriff des Repechage-Turniers. Auch bei der Dreierquote (29,4 Prozent) war nur Italien besser. Bei den Rebounds (36,8), den Punkten in der Zone (34,5) und der Freiwurfquote (71,7 Prozent) war Deutschland führend.

Individuell trugen sich mehrere deutsche Spieler in die Bestenlisten ein: Thomas Böhme war mit durchschnittlich 19,3 Punkten viertbester Scorer des Turniers, auch bei den Assists (6,0) war er in der Top-5. Nico Dreimüller schaffte es mit 6,8 Assists pro Spiel auf den dritten Rang. Bei den Rebounds belegte Matthias Güntner mit 9,5 den 5. Platz, Alex Budde war bei den Steals (1,5) ebenfalls Fünfter.

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Die Ziele für die Paralympics in Paris

Zum Schluss sprach Engel dem gesamten Betreuerteam ein „großes Dankeschön aus. „Sie haben einen unfassbaren Job gemacht.“ Ein konkretes Platzierungsziel für die Paralympischen Spiele wolle er nicht ausgeben, nur so viel: „Wir wollen die beste Defensive des Turniers stellen und die fitteste Mannschaft sein.“

Text – Nikolas Pfannenmüller
Foto – Danny-Ralph Cäsar / LangCäsar Solutions GbR