Die deutsche Rollstuhlbasketballnationalmannschaft der Damen hat es den Herren gleichgetan und sich mit beeindruckenden Leistungen für die Paralympischen Spiele 2024 in Paris qualifiziert. Während der Qualifikationsturniere wurden klare Parallelen in der Spielweise der beiden deutschen Teams deutlich. Welche Schlüsse zieht Bundestrainer Dirk Paßiwan aus dem Turnier?

Als die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen im 50. Stock (Kein Schreibfehler!) einer Sky-Bar den Blick über Osaka schweifen ließen, fiel bei ihnen eine Menge Anspannung ab, und die Freude über das Erreichte – die Qualifikation für die Paralympics in Paris – machte sich breit. Wenige Stunden vorher hatte die Nationalmannschaft im Entscheidungsspiel Frankreich mit 58:25 besiegt. In einer sehr emotionalen Partie, denn auch für die Französinnen war es kein gewöhnliches Spiel: Die Paralympics finden in ihrem Heimatland statt, jedoch ist der Gastgeber aufgrund der Reduzierung der Teilnehmerzahl von zehn auf acht Mannschaften nicht mehr automatisch gesetzt.

Nach dem Spiel flossen bei einigen französischen Spielerinnen Tränen der Enttäuschung, während die Deutschen vor Freude weinten. Bundestrainer Dirk Paßiwan hatte den Qualifikationsspielen einen riesigen Stellenwert eingeräumt. Vor allem, weil das Teilnehmerfeld durch die reduzierte Teilnehmerzahl so hochkarätig wie nie zuvor ist. „Die Paralympics sind das wichtigste Turnier für den deutschen Rollstuhlbasketball seit 20 Jahren“, betont er.

Deutschland bleibt während des gesamten Turniers im „Wettkampfmodus“

Und diesem Ziel ordnete die deutsche Rollstuhlbasketballnationalmannschaft alles unter: 250:75 lautete das Korbverhältnis der deutschen Rollstuhlbasketballerinnen nach drei Gruppenspielen in der Asue Arena von Osaka. Wie zu erwarten war, dominierte Deutschland gegen Thailand (87:28) und Algerien (93:14), ohne nachlässig oder leichtsinnig zu werden.

Die Schwierigkeit für die Deutschen bestand vor allem darin, über die komplette Turnierdistanz im „Wettkampfmodus“ zu bleiben – gerade im Hinblick auf das Duell um den Gruppensieg gegen Australien und das darauffolgende Alles-oder-nichts-Spiel einen Tag später. In den ersten beiden Spielen konnte die Mannschaft aufgrund der klaren Führungen auch Kräfte sparen. Paßiwan gönnte seinen Leistungsträgerinnen Pausen und gab jüngeren Spielerinnen wie Svenja Erni und Lilly-Rose Sellak nennenswerte Einsatzzeiten.

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Das Spiel gegen die international angesehenen Australierinnen endete ebenfalls deutlich zugunsten der Deutschen (70:33). Zum Vergleich: Bei der WM 2023 war der deutsche Sieg gegen Australien (64:50) knapper ausgefallen, damals konnte Australien allerdings noch auf ihre inzwischen nicht mehr aktive Topscorerin Amber Merritt zurückgreifen. Sowohl Australien als auch Frankreich hielten zwar zu Beginn der Spiele mit, waren jedoch am Ende deutlich unterlegen.

Vergessen werden darf allerdings auch nicht, dass Deutschland die wesentlich einfachere der beiden Gruppen erwischte. Dieser Tatsache war sich auch Paßiwan bewusst. In der anderen Gruppe waren Kanada, Spanien, Japan und die sieglosen Franzosen vertreten. Von diesen vier Nationen schaffte es nur Frankreich nicht, sich in den Finalspielen um die Teilnahme an den Paralympischen Spielen durchzusetzen.

Gemeinsamkeiten in der Spielidee des Damen- und Herren-Nationalteams: Fokus auf Defensive und schnelles Umschalten

Es gibt durchaus Parallelen zwischen der Nationalmannschaft der Herren und der Damen: Beide Teams gehörten beim Rebounding, in der Defensive und unter den Körben zu den besten Teams während der Repechage-Turniere. Die deutschen Damen waren in Osaka beispielsweise führend im Rebounding (36,8 im Durchschnitt) und erzielten die meisten Punkte in der Zone (59 Punkte pro Spiel), was ihren Gegnern erhebliche Probleme bereitete.

Die Überlegenheit in der Zone betraf sowohl Offensive als auch Defensive, war aber auch darauf zurückzuführen, dass die deutsche Mannschaft ihre Gegenspielerinnen auch außerhalb der Zone aggressiv verteidigte und vom eigenen Korb weghielt. „Wir haben die ganze Vorbereitung daran gearbeitet, die Gegner schon vor der Dreierlinie aufzunehmen“, erklärt Paßiwan, der im regelmäßigen Austausch mit Herren-Bundestrainer Michael Engel steht, und fügt hinzu: „Wir haben eine gemeinsame Philosophie: Wir priorisieren beide die Verteidigung und wollen schnell umschalten.“

Diese Spielidee spiegelte sich auch in der Ausnutzung von gegnerischen Ballverlusten (27,3 Punkte) und der Dominanz im Fastbreak (17,5 Punkte daraus) wider. Während des gesamten Repechage-Turniers glänzten die deutschen Damen nicht nur in der Verteidigung gegnerischer Schnellangriffe, sondern auch in ihrem eigenen Tempospiel. „Wir wollen, dass alle Spielerinnen gefährlich sind und dass wir schnell nach vorne kommen, mit ein, zwei Outlet-Pässen“, sagt Paßiwan.

Fortschritte im Umgang mit gegnerischen Ganzfeldpressen

Fortschritte sieht der Bundestrainer auch in der Bewältigung von starkem Defensivdruck: „In der Vergangenheit hat uns die Ganzfeldpresse öfter mal Probleme bereitet. Thailand hat es mal probiert, Australien hat es in der ersten Halbzeit gut gemacht.“ Aber sonst habe man alles im Griff gehabt. Ein wichtiger Faktor für diese Fortschritte war auch das gezielte Ballhandling-Training.

Nachholbedarf bei der Freiwurfquote

Wir können trotzdem noch im athletischen Bereich zulegen“, versichert Paßiwan. Ebenfalls würde man an der Freiwurfquote arbeiten. Von acht Teams beim Repechage-Turnier hatte Deutschland nur die fünftbeste Freiwurfquote (40,4 Prozent), bei der Feldwurfquote (55 Prozent) dagegen konnte keine Mannschaft den Deutschen Paroli bieten.

Mareike Miller holt sich beinahe die Scoring-Krone

Eine erfahrene Spielerin stach besonders heraus: Deutschlands Topscorerin Mareike Miller, die in den vier Spielen 100 Punkte erzielte und damit die Turnier-Bestmarke von Kanadas Kady Dandeneau (101) knapp verpasste. „Mareike Miller hat noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Sie hat das Team mit ihrer Führung und ihrem Einsatz mitgezogen. Sie gibt Verantwortung ab, das hat sie und das Team noch mal stärker gemacht“, sagt Paßiwan. Auch Svenja Mayer trug mit durchschnittlich 12,5 Punkten pro Spiel (Platz 7) maßgeblich zum Scoring bei.

In anderen Kategorien führte Miller die Statistiken an: Sie holte die meisten Rebounds (13,8) und teilte sich mit ihrer Teamkollegin Svenja Mayer und Spaniens Isabel Lopez den Spitzenplatz bei den Blocks (0,8). Zudem rangierte sie auf dem zweiten Platz bei Assists (7,5) und Steals (3,3).

Die Vorbereitung auf die Paralympics

Mit Catharina Weiß, Marie Kier und Vanessa Erskine stehen nur drei Nationalspielerinnen in den Playoffs bei den deutschen Rollstuhlbasketballmeisterschaften. Die übrigen Spielerinnen können den Blick schon auf die Vorbereitung auf die Paralympics richten. In zwei Wochen steht bereits der nächste Lehrgang der Nationalmannschaft in Lobbach an, im Juni wird der Tross zu einem achttägigen Trainingslager nach Kanada reisen. Da bis zum Beginn der Paralympics Ende August noch ausreichend Zeit bleibt, werde es auch „immer mal wieder Regenerationsphasen“ geben, betont Paßiwan.

„Wir möchten uns bei den Fans bedanken. Ich bin sehr stolz auf die Mädels, weil wir eine Einheit geworden sind. Die Spielerinnen auf der Bank haben mitgezogen. Ich traue der Mannschaft extrem viel zu“, lautet Paßiwans Fazit zum Qualifikationsturnier.

Doch der Bundestrainer weiß auch: „Bei den Paralympics erwarten uns ganz andere Gegner. Dort gibt es nur noch Weltklasse-Gegner“, meint der 47-Jährige und gibt eine erste Einschätzung zu den Teilnehmern ab: „Die Niederlande, die USA und China sind die drei Top-Favoriten. Dahinter kommen Kanada, Großbritannien, Spanien und wir. An einem guten Tag kann jeder jeden schlagen. Wir wollen jeden Gegner fordern“, macht Paßiwan deutlich.

Text – Nikolas Pfannenmüller
Foto – Danny-Ralph Cäsar / LangCäsar Solutions GbR