Die beiden deutschen Champions-Cup-Vertreter haben sich für das Final Four qualifiziert – obwohl der RSV Lahn-Dill und die Thuringia Bulls in den Viertelfinalspielen jeweils nicht jedes ihrer Spiele gewinnen konnten. Im Halbfinale am 3. Mai werden die beiden Rivalen sogar im direkten Duell aufeinandertreffen. Währenddessen verpassten die RBB München Iguanas die Finalrunde im EuroCup 3.

Normalerweise sieht sich der RSV Lahn-Dill höchstens mit Herausforderungen auf dem Feld gegenüber; beispielsweise mit stabilen Defensiven oder gegnerischen Spielern, die plötzlich heiß laufen. Ende der vergangenen Woche wurde der deutsche Rekordmeister im Rollstuhlbasketball allerdings durch Ereignisse außerhalb des Platzes ausgebremst: Wegen diverser Streiks seitens der Lufthansa, der Sicherheitskräfte des Rhein-Main-Flughafens und der Lokführer musste der RSV Lahn-Dill die Reise ins spanische Albacete zu den Viertelfinalspielen des Champions Cup mit dem Bus antreten.

„Wir mussten eine Entscheidung treffen, weil uns kein Alternativ-Flug zur Verfügung gestellt werden konnte. So haben wir uns in einige Neunsitzer gesetzt und haben den zweitausend-Kilometer-langen Ritt auf uns genommen“, erzählte RSV-Geschäftsführer Andreas Joneck am Donnerstagmorgen. Das Team brauchte ungefähr 20 Stunden und kam übermüdet, aber überglücklich, noch vor Beginn des ersten Spiels am Freitagnachmittag in Kastilien-La Mancha an.

Der RSV Lahn-Dill trotzt den Reisestrapazen

In diesem fertigte Lahn-Dill den sardischen Verein GSD Porto Torres mit 88:48 ab. Von Erschöpfung war keine Spur: nach den ersten beiden Vierteln führte Lahn-Dill mit 40:15. Beim nie gefährdeten Erfolg waren Mendel Op den Orth (19 Punkte, 8/10 FG, 7 Assists) und Matthias Günther (28 Punkte, 13/16 FG, 8 Rebounds) nicht nur die besten Punktesammler ihres Teams, sondern zeigten sich dabei auch äußerst effizient. Aufseiten des Gegners konnte nur Piotr Łuszyński (20 Punkte, 7/16 FG) halbwegs Paroli bieten.

Der RSV Lahn-Dill besiegt Bilbao um Superstar Patrick Anderson

Auch im zweiten Spiel setzte sich der frisch gebackene deutsche Pokalsieger mit 69:59 gegen

Bidaideak Bilbao BSR durch. Den Grundstein für den Sieg legte Lahn-Dill in der ersten Halbzeit, die die Mannschaft mit 38:18 für sich entschied. Der RSV dominierte vor allem defensiv und hielt Superstar Patrick Anderson bei einer überschaubaren Feldwurfquote aus dem Zweier-Bereich (8/21). Obwohl Anderson am Ende mit 29 Punkten Topscorer war und vier seiner sieben Dreier traf, ließ er in Korbnähe eines liegen. Bei Lahn-Dill zeigten Günther mit 21 Punkten (9/17 FG, 9 Rebounds), Thomas Böhme (20 Punkte, 8/19 FG, 9 Assists) und Rose Hollermann (17 Punkte, 6/11 FG) ihre Klasse.

Gegen Albacete zieht der RSV Lahn-Dill den Kürzeren

Am Sonntag musste der RSV eine 73:80-Niederlage gegen den Gastgeber BSC Amiab aus Albacete hinnehmen. Nach einer 14:8-Führung nach acht Minuten glitt das Spiel Lahn-Dill kurze Zeit später aus den Händen; nach 14 Minuten lagen die Wetzlarer mit 18:28 zurück. In dieser Phase konnte sich Albacete vor allem auf Mateusz Filipski (27 Punkte, 12/21 FG, 3/6 Dreier, 9 Rebounds), Sixth Men Lee Manning (24 Punkte, 11/16 FG, 10 Rebounds) und Ben Fox (20 Punkte, 9/19 FG, 8 Rebounds) verlassen. Den womöglich größten Einfluss auf das Spiel hatte jedoch Philip Pratt mit absurden 21 Assists. Damit steuerte er 75 Prozent der Assists seines Teams bei (insgesamt 28). Lahn-Dill gewann zwar das letzte Viertel mit 26:20, hatte jedoch den Rückstand zuvor zu groß werden lassen. Für die Mannschaft von Cheftrainerin Janet Zeltinger punktete Rose Hollermann (18 Punkte, 6/9 FG) am besten. Op den Orth (6/9 FG), Günther (6/10 FG, 9 Rebounds) und Böhme (6/12 FG, 10 Assists) legten allesamt jeweils 12 Punkte auf. „Albacete hat sich das verdient. Wenn zwei Topteams aufeinandertreffen, dann entscheiden immer Kleinigkeiten. Heute war vor allem Lee Manning ein Faktor“, sagte Trainerin Janet Zeltinger nach dem Spiel.

Trotz dieser Niederlage qualifizierte sich der RSV Lahn Dill als Gruppenzweiter für das Final Four, das Anfang Mai ausgetragen wird. In der Runde der letzten Vier kommt es zu einem deutschen und einem spanischen Duell: Während Lahn-Dill am 3. Mai auf die Thuringia Bulls trifft, spielt der BSC Amiab aus Albacete gegen CD Ilunion aus Madrid.

„Unser erstes Ziel war die Quali fürs Final Four, das haben wir geschafft. Das zweite Ziel war, hier Erster zu werden. Das haben wir nicht geschafft. Aber wir können aus dem Spiel gegen Albacete viel lernen, das wird uns stärker machen“, räumte die RSV-Trainerin ein.

Enes Bulut glänzt für Galatasaray gegen die Thuringia Bulls

Als zweiter deutscher Champions-Cup-Teilnehmer waren die Thuringia Bulls nicht vom Streik betroffen. Das lag daran, dass sie als Gastgeber der anderen Viertelfinalrunde ihre Heimspiele daheim austragen konnten. Zum Auftakt mussten sich die Bulls Galatsaray Istanbul mit 80:88 geschlagen geben. Zwar lagen die Gastgeber in der ersten Hälfte häufig in Front, doch auf mehr als fünf Zähler zogen sie nicht davon (33:28 nach 14 Minuten). Angeführt vom großartigen Enes Bulut (46 Punkte, 19/30 FG, 9 Assists) arbeitete sich Galatasaray im zweiten Spielabschnitt in die Partie. Ihn unterstütze Mucahit Günaydin mit 23 Punkten (10/12 FG) und 10 Rebounds. Dennoch war die Mannschaft von Head Coach Andre Bienek nicht allzu weit entfernt vom zweiten Sieg. Die ordentlichen Leistungen von Lindén (20 Punkte, 9/17 FG, 6 Assists), Gholamazad (19 Punkte, 8/12 FG) und Aliaksandr Halouski (17 Punkte, 5/10 FG) waren allerdings nicht gut genug.

Die Thuringia Bulls setzen ein Ausrufezeichen

Mit dem Rücken zur Wand setzten die Bulls im nächsten Spiel beim 81:65 gegen CD Ilunion ein Ausrufezeichen. Obwohl die Mannschaft aus Elxleben Mitte des zweiten Viertels mit 24:36 zurücklag und später mit 44:52, hatte sie noch viele Kraftreserven in der Hinterhand. Während den Madrilenen im letzten Viertel kaum noch etwas gelang (10 Punkte), bewiesen die Bulls angetrieben von ihren heimischen Fans ihre Qualitäten in der Crunchtime (25 Punkte). Joakim Lindén (31 Punkte, 12/19 FG, 8 Assists) und Vahid Gholomazad (20 Punkte, 9/15 FG, 8 Rebounds) waren für Ilunion fast nicht zu verteidigen und hatten einen großen Anteil an der Wende. Die besten Punktesammler auf Seiten der Spanier waren Bill Latham (14 Punkte, 7/15 FG) und Ignacio Ortega (14 Punkte, 7/11 FG).

Mit dem unerwarteten Sieg überraschten die Bulls-Spieler selbst ihren Cheftrainer Andre Bienek: „Gegen Ilunion wollten wir natürlich alles geben, wussten aber, dass wir der Underdog waren. Wir spielten mit viel Herz und konnten immer dranbleiben.“ Auch das frühe Unsportliche sowie Technische Foul von Greg Warburton habe Thuringia in die Karten gespielt: „Nach 5 Minuten musste der beste Schütze der Madrilenen die Halle verlassen. Diesen Umstand konnten wir zu unseren Gunsten nutzen“, ergänzte Bienek.

Die Thuringia Bulls machen den Einzug ins Final Four perfekt

Im dritten Spiel besiegten die Bulls den italienischen Vertreter Santo Stefano mit 61:51. Während Linden diesmal nur 12 Punkte (6/12 FG) verzeichnete, zeigte Gholamazad eine Galavorstellung (25 Punkte, 11/20 FG, 17 Rebounds). Bei Santo Stefano hinterließ Sabri Bedzeti mit 20 Punkten (6/13 FG) den besten Eindruck. Nach einem punktearmen ersten Viertel (11:7 für Thuringia) erspielten sich die Gastgeber einen zweistelligen Vorsprung; mit 32:17 ging es in die Pause. Näher als fünf Punkte (48:53) kam Santo Stefano nicht mehr heran. Umso beeindruckender waren die beiden Siege der Bulls vor dem Hintergrund, dass Kapitän Aliaksandr Halouski in beiden Spielen verletzungsbedingt nicht mitmischen konnte.

„Mit viel Herz und einer richtig starken Teamleistung haben wir am Ende den ersten Platz in der Gruppe erspielt“, lobte Bienek seine Mannschaft im Anschluss.

Das verrückteste Spiel des Wochenendes: Gegen Galatasaray Istanbul feierte Santo Stefano einen überraschenden Sieg, der kaum knapper hätte zustande kommen können. Eigentlich lag Galatasaray über die gesamte Spieldauer in Führung. Santo Stefano führte nur am Anfang mit 2:0 und musste danach (fast) immer hinterherlaufen. In den folgenden Minuten schien das Duell einseitig zu werden. Galatasaray führte nach fünf Minuten mit 12:2, nach eineinhalb Vierteln stand es 30:21. Die erste Führung seit der ersten Minute übernahmen die Sarden Ende des dritten Viertels (57:56).

Galatasaray ließ sich zunächst nicht verunsichern. Als Mohamadhassan Sayari bei 1:37 Minuten Restspielzeit mit einem Mitteldistanzwurf die Führung von Galatasaray auf 78:71 ausbaute, deutete nichts darauf hin, dass es noch mal spannend werden würde. Doch dann folgte die Schlussoffensive von Dimitri Tanghe und Co.: Erst traf er einen Korbleger, dann einen Dreier. Bei den türkischen Spielern lagen die Nerven blank und sie verloren mehrmals den Ball. 30 Sekunden vor Schluss glich Marianne Buso per Korbleger das Spiel aus (78:78). Anschließend leistete sich Galatasaray durch Mahdi Abbasi ein folgenschweres Offensivfoul. Santo Stefano spielte die Uhr runter und ging eine Sekunde vor Ende (!) durch einen Mitteldistanzwurf von Andrea Giaretti mit 80:78 in Führung. Galatasaray nahm noch einmal eine Auszeit, konnte allerdings nicht mehr kontern. Was für ein Comeback!

Wie man es sonst nur aus Filmen kennt…oder aus dem türkischen Sport, forderte Galatasaray-Trainer Remzi Sedat Incesu nach dieser Niederlage seine Spieler auf, ihre Trikots auszuziehen. Nach so einer Leistung seien die Spieler nicht würdig, das Galatasaray-Trikot zu tragen. Im Positiven wie im Negativen neigen Verantwortliche im türkischen Sport wie Sedat Incescu zu Euphorie, Pathos und Theatralik. Wer einen Eindruck von der Leidenschaft türkischer Sportfans bekommen will, dem sei dieses Video empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=vAG9ofNNwdM

Bestleistungen in den Viertelfinalspielen: 

  • Enes Bulut (Galatasaray Istanbul): 46 Punkte gegen die Thuringia Bulls
  • Philip Pratt (BSR Amiab Albacete): 22 Assists gegen GSD Porto Torres
  • Vahid Gholamazad (Thuringia Bulls): 17 Rebounds gegen Santo Stefano
  • Ben Fox (BSR Amiab Albacete): 4 Blocks gegen GSD Porto Torres
  • Bill Latham (CD Ilunion): 5 Steals gegen Galatasaray Istanbul

Gemischte Gefühle bei den RBB München Iguanas im EuroCup 3

Am Wochenende war mit dem RBB München Iguanas eine weitere deutsche Mannschaft international gefordert. Am Freitag und Samstag standen jeweils zwei Spiele der Vorrundengruppe in München auf dem Programm. Mit zwei Siegen aus vier Spielen verpasste der RBB als Gastgeber die Qualifikation für die Finalrunde, das Weiterkommen sicherte sich allein der Gruppenerste Gazişehir Gaziantep FK.

Der RBB München startet mit einer Niederlage

Im ersten Spiel verloren die Münchner gegen den türkischen Verein Gazişehir Gaziantep FK mit 68:85. Nachdem das erste Viertel noch ausgeglichen war (20:21), setzte sich Gaziantep im Verlauf des Spiels allmählich ab. Zur Halbzeit lag München mit 33:39 in Rückstand, nach dem dritten Viertel mit 48:57. Das Team von Benjamin Ryklin fand keine Mittel gegen Bülent Yilmaz, der als Topscorer 26 Punkte (11/18 FG) erzielte. Özgür Gürbulak gelang mit 13 Punkten, 12 Assists und 11 Rebounds ein Triple Double. Sebastian Magenheim (16 Punkte, 8/17 FG) und Sebastian Wolk (13 Punkte, 5/8 FG) punkteten auf Münchner Seite am besten.

Comeback-Sieg der Münchner gegen Bergamo

Noch am selben Tag hatte der RBB die Chance, es gegen Special Bergamo Sport Montello besser zu machen. Das gelang: Mit 73:59 fuhren die Münchner einen letztlich ungefährdeten Sieg ein, bei dem sie dennoch zwischenzeitlich zittern mussten. Nach einer 22:12-Führung nach neun Spielminuten verloren sie plötzlich den Faden. Zur Halbzeit war die Partie wieder offen und Bergamo führte mit 36:34. Doch mit einer geschlossenen Teamleistung kam München zurück und gewann sowohl das dritte (20:14) als auch das vierte Viertel (19:9). Diese kollektive Energieleistung zeigte sich auch in den Statistiken: Jeder der fünf Münchner Starter erzielte mindestens neun Punkte. Josef Wernberger führte sein Team mit 21 Punkten (10/17 FG) im Scoring an, während Kim Robbins mit 16 Zählern (7/12 FG) auf sich aufmerksam machte. Bei den Italienern zeigte sich Domenico Miceli (23 Punkte, 10/23 FG) am treffsichersten.

Münchens schwacher Start gegen die Hurricane 92 Gennevilliers

Am Samstagvormittag ging es gegen die Hurricane 92 Gennevilliers weiter. Den Start verschliefen die Iguanas aber komplett. Nach sechs Minuten führten die Franzosen mit 17:1. Danach wurden die Münchner offensiv zwar produktiver, doch zur Halbzeit lagen sie mit 24:45 immer noch deutlich zurück. Die Münchner schafften es nicht mehr, einen einstelligen Rückstand herzustellen. So trudelte die Begegnung aus und Gennevilliers gewann mit 80:56. Münchens Lukas Gloßner, der ins All-Star-Team des Turniers gewählt wurde, erzählte nach dem Spiel: „Das ganze restliche Spiel laufen wir diesem 20-Punkte-Rückstand hinterher. Danach haben wir gezeigt, dass wir mit den Franzosen mithalten können.“

Kim Robins war mit 17 Punkten (8/16 FG) der beste Münchner Werfer, auch Sebastian Wolk (13 Punkte, 3/3 Dreier) und Josef Wernberger (12 Punkte, 5/8 FG) punkteten zweistellig. Bei den Gennevilliers war Soufyane Mehiaoui aus allen Lagen gefährlich: Seine 29 Punkte (12/20 FG, 3/6 Dreier) und 7 Assists waren jeweils Bestwert in diesem Spiel.

Der RBB München schließt das Wochenende mit einem Erfolgserlebnis ab

Natürlich wollten die Münchner gegen Plymouth Fusion verhindern, erneut früh in deutlichen Rückstand zu geraten. Auch wenn Plymouth nach acht Minuten mit 13:10 in Führung lag, fand der RBB mit zunehmender Spieldauer seinen Rhythmus. Das zweite Viertel gewannen die Iguanas mit 22:6, so ging es mit einer 37:21-Führung in die Pause. Offensiv konnten die Münchner danach zwar nicht mehr ans zweite Viertel anknüpfen, aber defensiv ließen nicht allzu viel zu. Sebastian Wolk (16 Punkte, 7/10 FG, 12 Rebounds) und Sebastian Magenheim (11 Punkte, 5/11 FG) zeichneten sich bei den Münchnern offensiv am meisten aus, während Joel Clifton (28 Punkte, 11/22 FG, 15 Rebounds) mehr als die Hälfte der Punkte der Engländer erzielte.

„Für mich überwiegt das Positive, auch aus organisatorischer Sicht hat alles geklappt“, lautete das Fazit Gloßners. Das hohe Pensum mit zwei Spielen an einem Tag sei für ihn als jungen Athleten „machbar“, auch wenn er hinzufügte: „Am Sonntag und Montag habe ich schon gemerkt, dass es ein langes Wochenende war.“

Text – Nikolas Pfannenmüller