Für die deutsche Rollstuhlbasketballnationalmannschaft der Damen geht es beim Repechage-Turnier in Osaka um die Qualifikation für die Paralympics 2024. Welche Herausforderungen gibt es und wie stehen die Chancen für Deutschland?
„The last chance for Paris“ lautet der Slogan der derzeit laufenden Qualifikationsspiele für die Paralympics 2024 bei den Herren. Im Gegensatz zu den Herren, die in Antibes antreten, spielen die Damen in Osaka (Japan) um die Teilnahme. Obwohl der Austragungsort unterschiedlich ist, gilt derselbe Modus und Slogan für beide Turniere. Am Finaltag am 20. April werden die acht Teilnehmer ermitteln, welche vier Mannschaften sich für die Paralympics in Paris qualifizieren.
Nur mit einem Sieg gegen einen der folgenden Gegner – entweder Frankreich, Spanien, Kanada oder Japan – würde Deutschland sich das Ticket für Paris sichern. Dennoch misst Bundestrainer Dirk Passiwan den Gruppenspielen eine hohe Bedeutung bei. „Die andere Gruppe ist stärker. Unser Ziel ist es, Gruppenerster zu werden“, erklärt er vor Turnierbeginn.
Der Vorteil des Gruppensiegers besteht darin, dass er gegen den Viertplatzierten der anderen Gruppe spielt. Das sind die deutschen Gruppengegner und so stehen die Chancen der Deutschen.
17. April um 12.45 Uhr: Deutschland – Thailand
„Bei der vergangenen WM haben wir relativ hoch gegen Thailand gewonnen“, erinnert sich Passiwan. Beim 80:31-Sieg war Mareike Miller mit 43 Punkten von Thailands Spielerinnen nicht zu verteidigen. „Sie haben sich etwas verbessert, können gut fahren, sind allerdings relativ klein. In der Verteidigung bekommen sie Probleme, wenn wir mit Schnelligkeit kommen“, führt Passiwanaus. Mit Troy Sachs steht ein erfahrener Fachmann an der Seitenlinie, der als Spieler bei den Paralympics 1996 und 2008 Gold mit Australien gewann.
18. April um 15 Uhr: Deutschland – Algerien
Der amtierende Afrikameister ist „noch mehr Außenseiter als Thailand“, erklärt Passiwan. Bei der WM gewann Deutschland mit 97:20 gegen die Algerierinnen, die einen sehr hohen Altersdurchschnitt haben. „Wir wollen viel Druck in der Verteidigung machen“, lautet das Vorhaben des Bundestrainers.
19. April um 15 Uhr: Deutschland – Australien
Im letzten Gruppenspiel trifft die deutsche Mannschaft mit Australien auf einen Gegner, denPassiwan als „Weltklasseteam“ betitelt. Bei der WM im vergangenen Jahr erreichte Australien das Viertelfinale, in dem Deutschland mit 64:50 die Oberhand behielt. Währenddessen hat Führungsspielerin Amber Merritt ihre Karriere beendet. Allerdings hat Australien durch Bridie Kean und Kylie Gauci auch hochkarätigen Zuwachs erhalten. Beide gewannen Silber bei den Paralympics 2012 und waren zwischenzeitlich aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Außerdem müssen die deutschen Athletinnen Australiens 1-Punkte-Spielerin Hannah Dodd und Georgia Munro Cook auf der Rechnung haben. „Wir hoffen, dass es das Spiel um Platz 1 ist“, sagt Passiwan.
20. April im entscheidenden Finalspiel gegen Spanien/Frankreich/Kanda/Japan
Während Kanada und Spanien als Favoriten gelten, ist Frankreich der Außenseiter. Japan kann für eine Überraschung sorgen und erreichte bei der vergangenen WM immerhin das Viertelfinale. Es bleibt spannend, auf wen Deutschland zum Abschluss treffen wird.
Wie liefen die Testspiele gegen Großbritannien?
Nach vier Siegen in fünf Spielen gegen Spanien testete Deutschland Anfang April gegen das Topteam aus Großbritannien. Im ersten Duell verlor Deutschland mit 42:47, wobei die Trefferquote laut Passiwan „noch ausbaufähig“ war, die Leistung in der Verteidigung ihn allerdings zufrieden stimmte. Im zweiten Aufeinandertreffen gewann die deutsche Auswahl sogar mit 64:60, woraufhin der Bundestrainer voll des Lobes war. Im letzten Spiel schien die Luft raus zu sein und Großbritannien setzte sich mit 59:39 durch.
Warum Großbritannien das Vorbild vieler Frauen-Nationalmannschaften ist
Nichtsdestotrotz waren die Testspiele gegen Großbritannien ein optimaler Härtetest. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Großbritannien die einzige Nation der Welt ist, die eine professionelle Frauen-Liga hat. Sie können daher schneller auf das Nationalmannschaftsspiel „umschalten“ als die deutschen Spielerinnen und „sind den Damenball auch aus der Liga gewöhnt“, bestätigt Passiwan.
Die britischen Spielerinnen haben in ihren Klubs eine größere Rolle, während die Damen in Deutschland mit den Herren spielen. Wie beispielsweise Catharina Weiß beim deutschen Topklub RSV Lahn-Dill. „Catha kriegt vielleicht drei Würfe im Jahr“, erzählt Passiwan und fügt hinzu, dass sie im Nationalteam mehr Verantwortung habe. Vor allem bei den 2- oder 3-Punkte-Spielerinnen würde sich der Unterschied laut Passiwan bemerkbar machen. „Bei den Herren punkten sie nicht so viel, aber in der Nationalmannschaft müssen sie das tun.“
Deshalb begrüße er es, wenn eine Spielerin von der ersten Liga in die zweite Liga wechselt, um mehr Spielzeit zu erhalten. „Svenja Meyer hat beim Bundesligisten in Wiesbaden in fast jedem Spiel 38 Minuten auf der Bank gesessen“, erzählt der Bundestrainer. Sie ging einen Schritt zurück zum Zweitligisten Bayreuth und ist dort gefragte Leistungsträgerin.
Großbritannien war ein Härtetest. Die Gegner beim Repechage-Turnier mögen zunächst einfacher sein, aber gegen Australien wird eine außergewöhnliche Leistung erforderlich sein. Angesichts dieser Herausforderung war der Besuch eines Planetariums vor dem Flug nach Osaka besonders inspirierend. Dabei gewann das Team nicht nur neue Erkenntnisse über Sterne und Planeten, sondern auch frische Energie und einen gestärkten Zusammenhalt. In Osaka wird die Mannschaft buchstäblich nach den Sternen greifen müssen, um ihren Traum von den Paralympics zu erfüllen.
Text – Nikolas Pfannenmüller
Foto – Danny-Ralph Cäsar / LangCäsar Solutions GbR