Jutta Retzer ist im deutschen Rollstuhlbasketball für den Kinder- und Jugendsport verantwortlich. Im Interview spricht sie über die Anfänge der TryOuts, ihre schönsten Momente im Rollstuhlbasketball und was sie sich für 2021 wünscht.

Wie bist Du persönlich zum Rollstuhlbasketball gekommen?

Eigentlich über den Kinder-Jugend-Rollstuhlsport. Ich arbeite als Physiotherapeutin in einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum. Dort habe ich Rollstuhlsport als Unterrichtsfach angeboten. Den Rollstuhl als Fortbewegungsmöglichkeit fand ich schon immer faszinierend. 1999 haben wir in Langensteinbach unser erstes TryOut als Pilotprojekt gestartet. Ulf Mehrens und Peter Richarz konnten mich gewinnen, in der Kommission KiJu im Fachbereich mitzuarbeiten.

Welche aktuellen Nationalspieler*innen waren bei TryOuts?

Außer Halouski und Passiwan kenne ich bei den Herren alle. Chris Huber und Nico Dreimüller kenne ich, seit sie sieben Jahre alt sind. Mit ihren Eltern sind sie den TryOuts hinterhergereist und vermutlich die Rekordteilnehmer. Egal ob Berlin, Salzburg – die Eltern haben die beiden Jungs in der Halle abgegeben und sind in die Stadt. Auch André Bienek, ich glaube, er war 2000 in Bonn beim TryOut. Das ist alles schon so lange her. Bei den Damen und in den U-Mannschaften sind auch sehr viele dabei, die ich kenne.

Im deutschen Behindertensport wird immer wieder über Nachwuchsprobleme gesprochen. Wie ist das im Rollstuhlbasketball?

Wir müssen ganz offensiv rausgehen: Du musst am besten die Leute anrufen und noch ein Taxi schicken, sagen: Komm doch in die Sporthalle. Wenn ich an die Anfangszeiten der TryOuts denke, da waren die Hallen voll. In Lübeck, z.B. hatten wir 40 Kinder, das war fast nicht mehr zu wuppen.

Was würdest Du sagen, wie sich der Rollstuhlbasketball im Nachwuchsbereich entwickelt hat?

Wir haben einen Slogan: vom TryOut zu den Paralympics. Das haben viele junge Menschen geschafft. Unser Förderkonzept ist gut und hat gut funktioniert. Durch die TryOuts haben auch die Vereine Lust an der Jugendarbeit gefunden.

Konnte man bei den heutigen Nationalspieler*innen sofort sehen, dass die Talent haben?

Als wir anfingen, standen sowohl Ulf Mehrens als auch Peter Richarz immer selbst als Trainer in der Halle. Annabel Breuer war als kleines Kind bei mir in der Rollstuhljugendsportgruppe. Ulf meinte dann irgendwann: Jutta, schau dir Annabel an, die werden wir eines Tages bei den Paralympics sehen. Das weiß ich noch.

Was war dein schönster Moment im Rollstuhlbasketball?

Der Junioren-EM-Titel 2012 in Stoke Mandeville, da war ich dabei, oder der 2013 in Adana, als die Jungs Weltmeister geworden sind, die Endspiele konnte ich leider nur im Livestream verfolgen. Das war für mich das Tollste: Diese kleinen Zwerge sind jetzt Junioren-Weltmeister. Bei der Junioren-EM 2014 in Saragossa, als sie den Vize-Titel holten, war ich auch dabei. Da hatte ich bei der Nationalhymne echt Tränen in den Augen. Das war schon sehr emotional.

Was wäre deine Wunschvorstellung nach der Corona-Pandemie für 2021?

Das, was wir uns für 2020 eigentlich vorgenommen hatten: Dass viele Vereine ein TryOut durchführen wollen – und, dass es pro Jahr ein Rollstuhlbasketballcamp gibt.