Jan Haller (r.) wechselte vom Spielfeld an die Seitenlinie und feierte in Sarajevo seine EM-Premiere als Bundestrainer.
Foto: Steffie Wunderl
Interview mit dem Bundestrainer
WM-Quali geschafft und EM-Bronze geholt: Haller zieht positive Bilanz
Minimalziel erreicht und mit dem Gewinn der Bronzemedaille sogar übertroffen. Bei der Europameisterschaft in Sarajevo haben die deutschen Herren eine nahezu perfekte Leistung abgeliefert. Es ist die erste Bronzemedaille seit dem dritten Platz bei der EM 2017 auf Teneriffa, zuletzt hatte es ›nur‹ dreimal in Folge zu Platz 4 gereicht. Im Interview blickt Bundestrainer Jan Haller auf die Tage in Sarajevo zurück.
Mit ein paar Tagen Abstand, wie blickt ihr auf die Zeit in Sarajevo zurück?
Wir blicken mit vielen positiven Eindrücken auf die EM zurück. Uns ist die direkte Qualifikation für die WM in Ottawa gelungen und wir nehmen eine Bronzemedaille mit. Zudem waren die organisatorischen Rahmenbedingungen sehr gut und wir hatten viel Unterstützung von den mitgereisten Fans.
Was waren die entscheidenden Momente im Turnierverlauf und die Gründe für das erfolgreiche Abschneiden?
Einer von vielen Schlüsselmomenten war sicherlich der Erfolg in der Overtime gegen die Türkei im dritten Spiel der Vorrunde, als Alexander Budde nach einer Auszeit Sekunden vor Schluss zum 74:74 Ausgleich einnetzen konnte und das Team das Spiel am Ende mit 88:84 noch gewinnen konnte. Wir wussten, dass die Türkei ein echter Brocken werden würde. Zu diesem frühen Zeitpunkt in der Gruppenphase einen solchen emotionalen Moment für uns positiv zu gestalten, das hat uns für den weiteren Verlauf der EM einen großen Schub gegeben. Und am Ende das Spiel um Bronze gegen Italien, wo wir uns nach einer großartigen Teamleistung mit der Medaille belohnt haben.
Insgesamt hat die Mannschaft, trotzdem wir das zweitjüngste Team bei der EM waren, schon sehr reif gespielt. Neben der physischen Trainingsarbeit arbeiten die Spieler zunehmend auch im mentalen Bereich an sich.
Zudem haben wir es geschafft, auf der offensiven und defensiven Spielidee aus dem erfolgreichen letzten Jahr aufzubauen und dennoch neue Elemente einzubauen. Das haben die Jungs schon sehr gut umgesetzt. Gegen Großbritannien und Spanien hat es noch nicht ganz gereicht, aber wir werden weiter hart arbeiten, um auch solche Spiele mal für uns zu entscheiden.
Stichwort ›Teamleistung‹: Gerade auch die jungen Spieler von der Bank haben ihre Einsatzzeiten und ihren Anteil am Erfolg.
Schon im Vorfeld war für uns klar, dass wir in den Partien gegen Bosnien und Herzegowina und Österreich dem Nachwuchs viele Spielanteile geben wollen, weil sie nur weiterkommen, wenn sie auf diesem Level Erfahrungen sammeln können. Auch zum Auftakt gegen Polen ist uns das gelungen. Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung unser Youngster.
Sieben Jahre lang warst du bei Hannover United Spieler unter Martin Kluck, jetzt ist er dein Co-Trainer. Wie war die Zusammenarbeit im Team und wie habt ihr die Aufgaben verteilt?
Innerhalb des Trainerteams, zudem ja auch Günther Mayer gehört (als Co-Trainer mit der U23 Weltmeister geworden – Anm. d. Red.) herrscht ein absolutes Vertrauensverhältnis. Mit Günther und Martin, der schon bei Nicolai Zeltinger und Michael Engel als Co-Trainer dabei war, gibt es einen wertvollen Austausch unter anderem in der Spielvorbereitung. Es ist eine tolle Zusammenarbeit, bei der ich auch noch viel lernen konnte. Ohne die beiden hätte ich nicht der Coach sein können, der ich war.
Was sind die größten Unterschiede bei einem Rollenwechsel vom Spieler zum Trainer?
In erster Linie ist die Drucksituation eine andere. Als Kapitän spielt man zwar auch eine wichtige Rolle für die Mannschaft, als Trainer trägt man aber die Gesamtverantwortung. Man muss den gesamten Blick auf das Spiel haben, sich Gedanken machen zur Vorbereitung auf den Gegner beispielsweise oder über die Einsatzzeiten und die Einteilung der Spieler. Aus dieser anderen Perspektive als Trainer habe ich auch über mich selbst noch viel gelernt.
Die U23 ist Weltmeister geworden, mit der Nachwuchsliga gibt es ein neues Format zur Jugendförderung. Wie siehst du den deutschen Rollstuhlbasketball für die Zukunft aufgestellt?
Wir sind auf jeden Fall gut aufgestellt – dürfen aber nicht nachlassen, indem was wir tun. Die U23-Spieler im A-Kader haben ihr Potential bei der EM mehr als nur angedeutet. Und der Auftakt der Nachwuchsliga in Berlin hat gezeigt, dass wir mit diesem Konzept auf dem richtigen Weg sind, um junge Spielerinnen und Spieler für unseren Sport nicht nur zu begeistern, sondern auch entsprechend zu fördern. Das bezieht auch den Einsatz von engagierten und gut ausgebildeten Trainerinnen und Trainern – wie jetzt in Berlin – mit ein.